Deutsche Unternehmen haben die Bedeutung von lebenslangen Weiterbildungsangeboten erkannt und geben immer mehr Geld für betriebliches Lernen aus. Das Problem dabei: oft mangelt es den Mitarbeitern an der nötigen Zeit, um die Angebote in Anspruch zu nehmen.

Trend zu höheren Ausgaben für die betriebliche Weiterbildung

Etwas mehr als 1.200 Euro jährlich war deutschen Unternehmen 2019 die Weiterbildung pro Mitarbeiter wert. Das sagt zumindest eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), an der sich 1.340 Unternehmen beteiligten. Im Vergleich zu 2016 ist die Summe um 16 Prozent gestiegen, was den Trend zu immer höheren Ausgaben für betriebliche Fortbildungen bestätigt.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich das gesamtwirtschaftliche Investitionsvolumen inzwischen auf 41,3 Milliarden Euro beläuft. Spitzenreiter im Weiterbildungsranking sind vor allem unternehmensnahe Dienstleister und digitalisierte Firmen.

Arbeitnehmer haben zu wenig Zeit, um sich weiterzubilden

Am finanziellen Faktor klemmt es also nicht. Wie sieht es dagegen mit dem Faktor Zeit aus? 2019 bekamen Arbeitnehmer im Schnitt 18 Stunden für die Weiterbildung eingeräumt, etwa eine Stunde mehr als 2016. Im Verhältnis zur gesamten jährlichen Arbeitszeit immer noch ein verschwindend geringer Anteil. Das stellen auch die Studienautoren fest: Viele Unternehmen schaffen es schlichtweg nicht, ihren Arbeitnehmern die nötige Zeit für Weiterbildungsangebote freizuschaufeln. Das zieht regelmäßig Fortbildungsengpässe nach sich.

Damit verschenken Betriebe wertvolles Potenzial: „Weiterbildungen sind eine wichtige Zukunftsinvestition und für den digitalen Wandel unabdingbar“, sagt auch IW-Ökonomin Susanne Seyda.

Seyda hat Recht. Die Vorteile lebenslanger beruflicher Bildung sind vielfältig:

  1. Qualifiziertes Personal trägt zur Wertschöpfungskette bei. Wissen verändert sich im Digitalzeitalter immer schneller. Das gilt für fachliche Inhalte genauso wie für digitales Anwenderwissen. Umso wichtiger ist es, dass Mitarbeiter up to date bleiben. Dann fließt in ihre Arbeit immer aktuelles Know-how ein und Leistungen verbessern sich. Die Investition in hochqualifiziertes Personal ist somit eine strategische Investition in die Zukunft des Unternehmens.
  2. Durch konsequente Weiterbildung entstehen Wissenslücken erst gar nicht. Stattdessen entdecken Mitarbeiter möglicherweise neue Interessengebiete für sich, die sie in ihre Arbeit einfließen lassen. Das steigert das Innovationspotenzial eines Unternehmens.
  3. Fortbildungen motivieren: Wer das Unternehmen als Mitarbeiter aktiv mit neuen Ideen und Visionen unterstützt, feiert Erfolgserlebnisse. Das motiviert zu weiteren Höchstleistungen und steigert die Performance.
  4. Wer sich weiterbilden kann, fühlt sich wertgeschätzt. Arbeitgeber, die in ihre Mitarbeiter mit den richtigen Weiterbildungsangeboten investieren, drücken Wertschätzung aus. Das steigert nicht nur die Motivation der Angestellten, sondern auch die Bindung. Ein gutes Weiterbildungsangebot senkt die Fluktuation im Unternehmen.

Die Vorteile liegen also auf der Hand. Aber was ist notwendig, damit Unternehmen auch in ihren Genuss kommen?

Menschen lernen nicht nur durch Schulungen

Die Wissenschaftler des IW haben bereits zwei wesentliche Faktoren genannt. Zum einen müssen Unternehmen das nötige Budget für die Bildung bereitstellen. Zum anderen benötigen Mitarbeiter genug Zeit, um die Angebote auch tatsächlich nutzen zu können.

Dabei dürfen Personalverantwortliche nicht aus dem Blick verlieren, dass Menschen nicht nur durch Bücher und Vorträge lernen. Im Gegenteil: die im Berufsalltag gesammelte Erfahrung lässt sich kaum durch Fortbildungen ersetzen.

Als Faustformel zur Gewichtung der einzelnen Lernfelder kann die 70-20-10 Regel helfen. Ihr zufolge lernen Mitarbeiter zu

  • 70 Prozent durch anspruchsvolle Aufgaben und berufliche Herausforderungen.
  • 20 Prozent durch ihr berufliches Umfeld, das Kollegen und Führungskräfte maßgeblich prägen.
  • 10 Prozent durch Weiterbildungsangebote wie Seminare, Fachbücher oder E-Learning Kurse.

Wer seine Mitarbeiter bestmöglich unterstützen will, sollte alle drei Bereiche im Blick behalten. Gezielte Weiterbildungsangebote können ein auf Lernerfolg optimiertes Arbeitsumfeld ergänzen, aber niemals ersetzen.

Die Grundlage für erfolgreiches Bildungsmanagement ist immer eine Arbeitsatmosphäre, die die Mitarbeiter zum Lernen ermutigt und Ihnen die nötige Begleitung und Zeit dafür einräumt.

Denn eins ist sicher: Ein dickes Budget bringt neues Know-how nicht automatisch ins Langzeitgedächtnis der Mitarbeiter.

Sagen Sie Ihre Meinung

What do you think of this post?
  • Freudig (0)
  • Erstaunt (0)
  • Ärgerlich (0)
  • Amüsiert (0)

Kommentar verfassen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Benjamin Kuttler

Über den Autor

Benjamin Kuttler

Benjamin Kuttler ist Personalleiter bei easySoft und stand bereits vielen Unternehmen als Berater im Bereich Recruiting und Personalentwicklung zur Seite. Als Co-Autor des Buchs „Das Geheimnis der Champions“ hat er untersucht, wie die weltweit erfolgreichsten Unternehmen die besten Mitarbeiter finden und binden.

Wer wir sind

1994 entstand easySoft aus der Idee, endlose Papierlisten für die Fortbildungs­planung von Pflegekräften zu digitalisieren. Bis heute kommen viele unserer Mitarbeiter aus dem Gesundheits­wesen und bringen ihre Perspektive bei unseren Lösungen für das Bildungs­management und die Personal­entwicklung ein.

Unsere Themenwelten

Das könnte Sie interessieren:

⏱ 4 Minuten

Generalistische Examensprüfung in der Pflege: Darauf müssen Pflegeschulen achten

Die ersten Abschlussprüfungen der generalistischen Pflegeausbildung stehen bald an. Doch nicht nur für die Auszubildenden wird es ernst, auch die Prüfer und Praxisanleiter müssen sich (…)

Gruppenbild von sechs Pflegefachkräften
⏱ 4 Minuten

Personalbemessung Pflege: Vollzeitäquivalent & Personalschlüssel berechnen (Excel-Rechner)

Spätestens mit dem Inkrafttreten der neuen Personalbemessung in der stationären Langzeitpflege werden sie für viele Pflegeheime wichtig: Die Vollzeitäquivalente. Dieser Wert gibt die tatsächliche Arbeitskapazität (…)

Beliebte Artikel

Pflegekraft stützt ältere Person mit Rollator
⏱ 3 Minuten

Personalbemessung Pflege 2023: Was genau kommt auf Pflegeheime zu?

Zum 1. Juli 2023 tritt sie in Kraft: die neue Vorgabe zur Personalbemessung in der Pflege – kurz PeBeM. Jede vollstationäre Pflegeeinrichtung muss dann den (…)

Gruppenbild von sechs Pflegefachkräften
⏱ 4 Minuten

Personalbemessung Pflege: Vollzeitäquivalent & Personalschlüssel berechnen (Excel-Rechner)

Spätestens mit dem Inkrafttreten der neuen Personalbemessung in der stationären Langzeitpflege werden sie für viele Pflegeheime wichtig: Die Vollzeitäquivalente. Dieser Wert gibt die tatsächliche Arbeitskapazität (…)

⏱ 4 Minuten

Generalistische Examensprüfung in der Pflege: Darauf müssen Pflegeschulen achten

Die ersten Abschlussprüfungen der generalistischen Pflegeausbildung stehen bald an. Doch nicht nur für die Auszubildenden wird es ernst, auch die Prüfer und Praxisanleiter müssen sich (…)

⏱ 4 Minuten

Pflegestudie 2022: Mit Babyboomern wartet Mammutaufgabe

Dass die zunehmende Alterung der deutschen Bevölkerung besonders für die Pflege eine immense Herausforderung darstellt, ist bekannt. Einen genauen Blick auf das Problem hat jüngst (…)

Zwei Mitarbeiter von easySoft bilden sich bei gemeinsamem Workshop weiter
⏱ 5 Minuten

Mitarbeiter motivieren: Weiterbildungen helfen

Früher reichten das Fachwissen einer Ausbildung für ein ganzes Berufsleben aus. Inzwischen entwickeln sich berufliche Inhalte in Rekordtempo weiter, sodass selbst akademisches Wissen oft schon (…)

Beiträge finden

Stichwörter

Ausbildung in der Pflege Bewerbungsprozess Digitalisierung Employer Branding Fachkräftemangel Fort-/Weiterbildung Führung Gesetzliche Vorgaben Gesundheitswesen IT-Sicherheit lebenslanges Lernen Mitarbeitergespräche Onboarding Pflegeberufegesetz Pflegeheime Stellenanzeigen Wissensmanagement Work-Life-Blend